Profifoto Nr.5 2010: FotoFest 2010

FotoFest 2010 Contemporary U.S. photography

Die 13. Bienale FotoFest Houston steht unter dem Motto:
Contemporary U.S. Photography

12. März bis 25. April 2010

Alle zwei Jahre trifft sich die Welt der Fotografie zum weltgrößten meetingplace (Portfolioschau) in Houston/Texas. Nach dem großartigen Festival zur Chinesischen Fotografie in 2008 standen die Erwartungen für das diesjährige Ausstellungsprogramm hoch, aber Wendy Watriss und Fred Baldwin vollzogen in diesem Jahr eine spannende Wendung. Sie kuratierten nicht mehr selber, sondern hatten 4 Kuratoren (Natasha Egan, Aaron Schuman, Edward Robinson and Gilbert Vicario) eingeladen, die vier Hauptausstellungen des Festivals an sechs Orten zu kuratieren. Daneben gehört die Ausstellung „discoveries of the meetingplace 2008“ fest mit zum Programm und wurde in diesem Jahr im angrenzenden Komplex des Allan Centers gezeigt. (Andy Freeberg, ausgewählt von Karen Sinsheimer, Santa Barbara Museum of Art, Santa Barbara; Judy Haberl, ausgewählt von Rhonda Wilson, Rhubarb-Rhubarb, Birmingham, UK; Liz Hickok, ausgewählt von Rixon Reed, Photo-eye, Santa Fe; Emma Livingston, ausgewählt von Darren Ching & Debra Klomp Ching, KLOMPCHING Gallery, NY; Toby Morris, ausgewählt von Charles Stainback, Norton Museum of Art, West Palm Beach; Rachel Papo, ausgewählt von Christopher Tannert, Künstlerhaus Bethanien, Berlin; Dona Schwartz, ausgewählt von William Ewing, Musee de l’Elsee, Lausanne, Switzerland; Chris Sims, ausgewählt von Pippa Oldfield, Impressions Gallery, Bradford; Sara Terry, ausgewählt von Sue Brisk, Magnum Photo;Ion Zupcu, ausgewählt von Madeline Yale, Houston Center for Photography, Houston)

Vier zentrale Ausstellungen, deren Fotografen, ihre Arbeiten und die kuratorische Essenz galt es in diesem Jahr zu entdecken (abgesehen von der hervorragenden Ausstellung „Ruptures and Continuities, Fotografien seit 1960 aus der Sammlung am Museum of Fine Arts Houston, kuratiert von Yasufumi Nakamori).
Edward Robinson versammelte im Williamstower 8 junge kalifornische FotografInnen, deren Gemeinsamkeit in den künstlerischen Konzeptionen, typisch für Südkalifornien zu sehen ist. Zwischen prozessualen Experimenten und Performance, konnten die guten Arbeiten aber  nicht gegen die mächtigen Hallen des Williamstower ankommen, wie noch die Chinesichen Künstler in 2008.
Im headquarter von FotoFest in der Vinestreet zeigt Aaron Shuman unter dem Titel: Whatever was splendid, new american photographs, auf zwei Etagen eine Auswahl in Erinnerung an Walker Evans „American Photographs“. Die Autoren der Ausstellung spiegeln die aktuell schwierigen sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten in den USA auf unterschiedlichste Weise. Die beindruckenden Nachtaufnahmen von Vororten, die eigentlich Unorte sind von Will Steacy (Down these Mean Streets) oder den brutalhochaufgelösten Bildern zerschossener Autos und Paläste im Irak von Richard Mosse, schieben sich gerne in den Vordergrund. Auf der Bühne sollte hier aber Hank Willis Thomas stehen mit einer Serie gesammelter und manipulierter Werbefotografien seit dem Tod von Martin Luther King bis zur Wahl Obamas. Alle Bilder zeigen das Leben in Werbebotschaften afroamerikanischer Schwarzer ohne die Werbeinhalte und ihre Texte. Sie werden zu ikonenhaft deplazierten Bildern, die zu recht nach der Bedeutung des fotografischen Bildes in seiner eigenen und der Jetztzeit fragen.
Die langen Gänge und Nischen der Winterstreet Studios bespielte Natasha Egan mit der Ausstellung „The Road to nowhere?“. 18 Fotografen spiegeln die langsame Zerstörung eines Amerikanischen Nachkriegsoptimismus in meist dokumentarischen Projekten. Vor allem die verlassenwirkenden Welten von Eirik Johnson und die Jagdszenen von Erika Larsen konnten den Betrachter fesseln, wie auch die Nachtaufnahmen von Brian Ulrich.
Letzte Station aber über drei Orte verstreut die Ausstellungen von Gilbert Vicario unter dem Titel Medianation: Performing for the screen. Endlich eine Auswahl die nicht depressiv melancholisch rückwärts auf Amerikanische Traditionen schaut, sondern die Renaissance der Performance in Fotografie und Video in allen Medien, von der Fotografie bis facebook, twitter und youtube aufnimmt. Das machte richtig Spaß, da kam Wind und so mancher Lacher auf. Laurel Nakadate filmt sich mit Männern, die keine Beziehung zu einer Frau in ihrem Leben hatten und stellt diese und andere Videos ins Netz, Leslie Hall nennt sich selber schon einen Internetstar, eine web celebrity, die in Musikvideos die Geschlechterrollen in schrillen Kostümen und Klischees aufs Korn nimmt. Susanne Jirkoff verwandelt ein Treffen von Bush, Rice und Powell in ein Zeichentrickfilm, Emilio Chapela befragt in enzyklopädischen Büchern nach googleergebnissen für verschiedene Bildrecherchen und Kalup Linzy stellt eine Soapopera auf witzig ironische Weise nach. Glückwunsch an Gilbert Vicario für diese gelungene Trilogie seiner Ausstellung zwischen intelligenter minimalistischer Konzeptkunst, über melancholisch sozialkritische Performance, bishin zu einem performativen Exhibitionismus der Neuzeit.

FotoFest Houston beweist wieder einmal, daß es am Nerv der Zeit sitzt. Ob es die perfekte Organisation des meetingplaces ist, die Rolle des Kurators zu thematisieren, oder wie in diesem Herbst den meetingplace nach Frankreich zu Paris Photo zu bringen. Immer standen für die beiden Macher und Ideengeber Wendy Watriss und Fred Baldwin die Fotografen im Zentrum ihres Handelns. Bleibt zu wünschen, daß die Verzahnung von Fotografie und Kunstmarkt von Kuratoren wie Gilbert Vicario auch bei FotoFest Houston eine größere Rolle spielen wird.

Der meetingplace selber wächst und wächst. Kurzfristig beim letzten Mal eingeschoben, stand in diesem Jahr die 4. Session fest mit im Programm. Insgesamt wurden ca. 500 Fotografen zugelassen die geladenen 200 Kuratoren, Galeristen, Museumsdirektoren, Journalisten und Verleger, etc. mit ihrem Portfolio zu beglücken. Jedes Jahr wird weiter an dem perfekten Ablauf der Portfoliosichtung geschliffen, um Mißmut und Pannen weiter zu minimieren. Noch 2002 standen die Fotografen mit kleinen Zettelchen an einer großen Pinwand und mußten in 5 Durchläufen Ihre Termine kleben. Heute, 2010 erhält jeder Teilnehmer schon vorab per E-mail seine Termine, die meistens den Wunschterminen entsprechen und auch die Reviewer erhalten einen Terminplan so wie einen thumbnailkatalog aller in dieser Session registrierten Fotografen. Ja, alles läuft reibungsloser, aber auch undynamischer. Die Anzahl derer, die außerhalb der offiziellen Termine Portfolios untereinander oder den Reviewern zeigen hat stark abgenommen. Der sogenannte Portfoliowalk, bei dem fast alle Fotografen auf einem Tisch Ihre Arbeiten auch der Öffentlichkeit präsentieren können ist ein gelungener Event, kann aber die verlorene Dynamik nicht wieder gut machen. Das Niveau der gezeigten Arbeiten schwankte extrem zwischen den verschiedenen Gruppen und vor allem blutige Anfänger und Späteinsteiger im Rentenalter, scheinen den Veranstaltern zwar willkommen zu sein, bremsen aber die inhaltliche Auseinandersetzung der Fotografen und Kritiker  im meetingplace. Der kritischste Punkt wird bleiben, daß Fotografen jetzt nur noch 4 Tage und nicht mehr 6 Tage buchen können, also nur noch eine Gruppe von Reviewern sehen, sich die Anreise für internationale Nachwuchsfotografen weniger lohnt.

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