Profifoto 2006-07

photographers:network - selection 2006

„imagine“


Ende 2005 wurden wieder ca. hundert meiner Kollegen und Freunde weltweit eingeladen, die ich im Laufe der beiden letzten Jahre kennen gelernt habe, an diesem Projekt teilzunehmen. Es sind allesamt meist junge Fotografen, die ich bei Festivals und in meinen Galerien kennen gelernt habe und die sich auf einem ähnlichen Weg befinden. Es haben sich 56 Fotografen mit mehr als einhundert und fünfzig Arbeiten für die Teilnahme beworben. Ziel des Projektes ist es ein Netzwerk unter Kollegen aufzubauen und sich gegenseitig zu fördern. Eine sachkompetente Jury aus einem Journalisten (Thomas Gerwers, PROFIFOTO), einem Galeristen (Dagmar Peveling, Galerie Peveling, Köln) und einem Kunsthistoriker (der in diesem Jahr nicht genannt werden möchte) haben gemeinsam mit mir die auszustellenden Arbeiten ausgewählt. Die Ausstellung zeigt kein bestimmtes Thema, auch wenn sich Überschneidungen mit meinen eigenen Interessen oder der der anderen untereinander ergeben. Jedoch zeigen die ausgestellten Arbeiten die Vielfalt der fotografischen Ansätze, die zeitgleich mit meinen eigenen Arbeiten entstehen. Oftmals scheint uns die Vielfalt begrenzt, doch in Wirklichkeit ist dies nur eine Frage des Standpunktes, den man bei der Auswahl einnimmt.
Als ich nach einer Einladung zum Festival FotoArte Brasilia im vergangen Jahr entschied sehr viele Südamerikanische Fotografen ein zu laden, glaubte ich noch, der kulturelle Unterschied würde sich in der Auswahl diesen Jahres zeigen. Jedoch fügen sich insbesondere jene Fotografen aus Brasilien ein in ein Gefüge ganz anderer Natur. Schon bei den Einreichungen war ersichtlich, dass in diesem Jahr das Thema Landschaft ebenso wenig vorkam, wie Stilleben; um so mehr eine Polarität aus Mensch und Stadt. Seltsame Bilder begegnen uns von Städten, Menschen fliehen, schauen weg. Natürlich finden wir Bilder die eher etwas festhalten, wie im Bild von Nathalie Latham eine junge Chinesin (afraid of being alone). Der Titel verweist uns jedoch direkt auf eine Gefühlslage, die sich mit dem Bild verbindet. Emotionen werden auch in anderen Bildern geweckt, wenn eine junge Frau bei Pascal Baetens wegläuft, ganze Menschenmassen im Stadtverkehr fliehen, oder ein nackter Chinese zum telefonierenden Wachmann hinüberschaut. Die umgebende Stadt zerfließt, wie bei Sheri Lynn Behr, oder auch bei Marcus Freitas, dessen Arbeiten gerade vom Museum of Modern Art in Rio de Janeiro angekauft wurden. Collagen und Inszenierungen, verknüpfen unterschiedliche Eindrücke zu neuen Konstrukten, wie bei Luis Delgado Wonder Woman oder Kathryn Dunlevy Illumination. Eine seltsame Welt springt dem Betrachter ins Gesicht und schaut ihn unvermittelt an. Die jungen Boxer von Nicolai Howalt, die die Deformation ihrer Gesichter sicherlich nicht erwartet hatten, oder die verhüllten Frauen, die einen bei Guy Veloso scharf entgegen schauen. Der Betrachter könnte beinahe erschrecken bei solch’ Blicken. Die zerbrochenen Spitzen des Telegrafenmasten aus Tel Aviv sind es dann doch, die uns gleich eines siebenarmigen Leuchters, auf die Zerbrechlichkeit unserer Welt, gespalten in verschiedene Kulturen, verweisen.
Nur so ist zu erklären, dass ein Gefühl von inneren Bildern bei der Betrachtung der diesjährigen Auswahl aufkommt.


photographers:network
selection 2006
 

"imagine"
 

June 24th till July 2nd
 
Studio Thomas Kellner
Siegen, Germany