14.05.2005: Leserbrief über das Museum für Gegenwartskunst

Leserbrief über das Museum für Gegenwartskunst, Siegen

 „ Zu lange geruht“(zum Artikel  vom 28.04.2005)

Es ist chique in New York ins Museum zu gehen, hier auch?
Neben mir im Regal stehen u.a. die Kataloge von Hiroshi Sugimoto vom Guggenheim in New York und vom Museum of Contemporary Art Chicago. 200 Meter Luftlinie entfernt im Museum für Gegenwartskunst hängt eine der wichtigsten Serien der letzten 10 Jahre, die Seascapes von Sugimoto. Ich habe sie schon oft gesehen und doch gehe ich immer wieder hin.
Noch vor ein paar Jahren machte ich regelmäßig Spaziergänge im Wald, jetzt zieht es mich in den Struthschen Urwald-Raum des Museums - ein unbeschreibliches Erlebnis.

Kultur in der Siegener Zeitung
Endlich mehr als nur nette Worte. Ihre Zeitung gehört heute zu den wenigen, die überhaupt noch Kulturseiten haben und sind damit wahrscheinlich die einzigen in Siegen, die den Aufforderungen der Ministerien und Schlussfolgerungen zur Stadtentwicklung Folge geleistet haben. Sie haben den Bereich der Kultur in Ihrem Medium ausgebaut. Danke! Aber, muß alles gleich in der Qualität und Quantität der Berichterstattung behandelt werden?
Und müssten eventuell nicht wichtige Informationen aus Kultur und Wirtschaft anders in einer Zeitung verquickt werden, damit der Wirtschaftinteressierte nicht den Kulturteil überschlägt und umgekehrt?

Siegen auf einer internationalen Landkarte der Bildenden Kunst
Ich bewege mich das ganze Jahr durch verschiedene Metropolen der Welt und bin immer wieder erstaunt, wie konkurrenzfähig nicht nur die Architektur unseres Museums, sondern speziell auch das Programm des Museums für Gegenwartskunst in Siegen international ist. Davon abgesehen stöbere ich dort durch verschiedene Zeitungen und Magazine  und muß einfach überall in der Welt feststellen, dass die Ausstellungen und das Museum nicht nur in der Siegener Zeitung und anderen regionalen Medien wahrgenommen wird, sondern eben auch in New York, Chicago, Houston, London, Paris, etc. Egal wo ich hinkomme, plötzlich steht Siegen auf einer internationalen Landkarte Bildender Kunst. Das haben wir mit Sicherheit nicht Paul Mc Cartney und den paintings zu verdanken, sondern eben den Personen, die unser Museum konzipiert, gestiftet, getragen und in den letzten Jahren geführt haben.  Das Museum ist für Gegenwartskunst, kein Volkspark, kein Heimatmuseum, nein dieses Museum zeigt uns genau das, von dem wir wissen, dass es für eine Gesellschaft der schwierigste Teil ist, den es zu vermitteln gilt. Populismus im Programm hilft da nicht. Eher Engagement aller, die sich in der Szene Bildende Kunst bewegen.
Für mich als Künstler, der hier lebt und arbeitet, ist das Museum ein erheblicher Faktor dafür hier zu bleiben.

Finanzielle Situation der Bildenden Kunst
Die finanzielle Situation nicht nur von Künstlern, sondern auch von Galerien, Kunstvereinen und Museen ist in diesen Zeiten besonders schwierig. Z.B. hat die Künstlersozialkasse ermittelt, dass ihre Mitglieder ein durchschnittliches Brutto-Jahreseinkommen von unter 10.000 Euro haben. Sich als Künstler zu etablieren, dauert mitunter ca. 15 Jahre.
Unser Museum ist eine Stiftung und wenn Ihr in Siegen glaubt man könne sich auf den Gaben einer Stifterin ausruhen, dann habt Ihr etwas nicht verstanden. Da wächst eine Institution und kein Unternehmen ist sogleich aus der Existenzgründung heraus stabil. Dieses Museum ist auf eine Vielzahl von Besuchern und Gaben von Stiftern und Förderern angewiesen. Das Budget bestimmt die Musik, nicht nur in den öffentlichen Kassen, sondern eben auch in einem Stifter-Museum.

Ausgeruht? – wer?
Bei der Erstpräsentation des Museums konnten wir noch Nam Jume Paik’s TV-Garden bewundern, der leider nach Düsseldorf weggekauft wurde. Die Siegener Fachwerkhäuser wurden speziell für das Siegener Museum das erste Mal in dieser Vollständigkeit hergestellt und hingen Monate später auf der Documenta in Kassel. Zeitgleich konnten wir erfahren, dass in allen Ausstellungskalendern zur Documenta, Siegen mit der Ausstellung Maria Lassnig eine der 10 wichtigsten im Umfeld war. Die letzte Leiterin, Frau Dr. Engelbach verließ uns Richtung Museum Ludwig Köln. Ich muß nicht erst nach Chicago fliegen, um dort zu sehen, daß ein Raum zur Kunst der 60er Jahre genau die Arbeiten zeigt, die hier zusammengestellt wurden, wie z.B. neben anderen auch Sol Levitt und die Bechers.
Wenn das Publikum ausbleibt, kann es an der Qualität offenbar nicht liegen. Traut den  hiesigen Verantwortlichen doch Niveau zu. Made in Siegen muß ja nicht heißen, dass es provinziell ist. In der Industrie wird hier vor Ort auch Weltklasse produziert.
Das Dilemma liegt vielmehr in der Natur der Sache, wie es einmal ein Mitarbeiter aus dem Bereich Apollo äußerte: „ Bühne hat eine Galeonsfigur gefunden, dass werdet Ihr Individualisten in der Bildenenden Kunst nie erreichen“.  Wir sollten ihm das Gegenteil beweisen!

Eine Wunschliste
Ich wünsche mir einen Förderer, der den Siegenern einen Tag freien Eintritt in jeder Woche des Jahres schenkt und dafür in den Medien des Museums genannt wird.
Ich wünsche mir eine Tafel mit den Förderern im Eingangsbereich des Museums, damit wir Bürger erfahren, wer uns dieses hervorragende Museum stützt.
Ja, und ich wünsche mir auch eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Akteure in der Bildenden Kunst, damit wir gemeinsam mehr Publikum bewegen können, nicht nur in Siegen, sondern auch nach Siegen, z.B. in einer Nacht der Kunst (nicht der Museen)
Für die Malerei hat das Museum eine großzügige Mäzenin gefunden. Für den wichtigen Bereich der Fotografie als einer Säule des Museums mit den Arbeiten von Bernd und Hilla Becher, so wie August Sander, wünsche ich mir ein Pendant dazu.
Ich wünsche mir ein stärkeres Profil der einzelnen Institutionen, die Kunst zeigen.
Ich wünsche mir etwas anderes als einen Kulturstammtisch, nämlich einen Workshop, ein Zukunftsseminar, an dem ALLE Kulturverantwortlichen und Schaffenden gemeinsam Ideen und Konzepte für die Zukunft der Bildenden Kunst in Siegen entwerfen. Ein Konzept hierzu ist im Künstlerhaus Friedrichstrasse bereits in Arbeit.
Nur gemeinsam werden wir mehr schaffen, als die Summe der einzelnen Aktivitäten (frei nach Piene).

Fazit: Als Siegener bin ich stolz darauf, dass wir solch ein Museum in Siegen haben.

Thomas Kellner