Understatements
October 19 - 21, 2018
Festiwalu Nowej Sztuki lAbiRynT, Slubice, Poland
participatings artists: Elisa Asenbaum, Thomas Stuck , Vince Briff, Daisuke Iwamoto, Timo Kahlen , Wolf Kahlen , Jacek Kasprzycki, Tamara Sorbian, Anton S. Kehrer , Thomas Kellner , Boguslaw Michnik , Manfred Mohr , Floris M. Neususs , Jerzy Olek , Anna Panek-Kusz , Eunkyu Ryu, Rudolf Sikora , Berty Skuber , Wojciech Sternak , Zdenek Stuchlik , Danae Syrrou , Birgit Wudtke , Naoya Yoshikawa
Galeria Okno, SMOK
ul. 1 Maja 1
69-100Slubice
Poland
http://www.labirynt.slubice.eu/
“His art deals with reality, employing both the level of interpretation behind it along with abstraction at the same time.” Zehnder, Professor Frank Günter, PhD (Übersetzung von:Thomas, Nelly) Farbwelt 135-36 Kreis Düren, 2010, Düren, page 47
Tabula rasa
Ein weißes Blatt Papier, unbeschriftet und unbelastet – nach John Locke der Urzustand des Verstandes eines von jeglichem Wissen unbelasteten Menschen. Ein schwer vorstellbarer Zustand in einer Ära übermäßiger Angriff slust von Informationen und Reizen, Erwartungen und Verpfl ichtungen. Ein Zustand, nach dem einige sogar streben, hervorgerufen durch Meditation und Sitzungen, die zu Trancezuständen und scheinbarer Erstarrung führen. Aufenthalte in Klöstern und Einsiedeleien werden immer beliebter, um den von übermäßigem Stress und intensiven Lebensstil überbeanspruchten Geist zur Ruhe kommen zu lassen. Auch rhythmisch-mechanische, sich wiederholende Tätigkeiten führen zu hypnotischen Zuständen, bei denen der müde Geist sich beruhigt, vergisst und die aufgewühlten Gedanken ordnen kann. Ähnliche Zustände der Selbstvergessenheit kann bei Künstlern der Schaff ensprozess hervorrufen, der den Geist und die Sinne vereinnahmt in ihrem Ringen um Form und Inhalt. Es kommt vor, dass Künstler sich völlig verlieren und grundlegendste
Tätigkeiten vergessen. Kasimir Malewitsch sagte, nachdem er 1915 seine Th eorie der Schilderung ohne Narrativ und ohne Verbindung zu sichtbarer Realität und Objektivität publiziert und illustriert hatte: "Ich konnte weder essen noch schlafen und versuchte zu verstehen, was ich gemacht hatte, aber ich konnte es nicht."
Weißes Quadrat auf weißem Grund. Weiß auf weiß, ergo Übermaß reduziert auf ein Minimum? Oder ist das vielleicht ein echtes Tabula rasa Bild, das dennoch eine Spur
im Verstand hinterlässt mit seinen sichtbaren Pinselstrichten, seiner Faktur und der Wirkung subtiler weißer Schattierungen. Zu den zahlreichen Künstlern, die von der Farbe Weiß fasziniert sind, gehört ebenfalls Robert Ryman. Er vertraute der Farbe Weiß, indem er sein malerisches Schaff en auf ein scheinbares Minimum reduzierte: quadratisches Format und weiße Farbe, einzig mit Maßstab und Faktur spielend. Das beweist, dass unter Verwendung sehr eingeschränkter Mittel ein Bildzusammenhang erzielt werden kann.
Kann uns also die Farbe Weiß auf unserer Suche nach Distanz zum Übermaß Linderung verschaff en? In der europäischen Tradition hat sie kaum negative Bezüge, sondern wird in der Regel positiv mit Engelsscharen assoziiert, mit Reinheit und Unbescholtenheit; aber in der chinesischen Kultur gilt sie z.B. als Unglücks- und Trauerfarbe. Übermaß erweist sich stets als Falle. Selbst Weiß im Übermaß ruft ein Gefühl von Leere hervor, von Unpersönlichkeit, Stagnation und Frustration, obwohl sie ja nicht leer ist. Dies zeigt sich, wenn man weißes Licht durch ein Prismenglas fallen lässt und sich daraus das gesamte sichtbare Farbspektrum ergibt. Mit dem diesjährigen Motto "Syndrom des Übermaßes" des Festivals für moderne Kunst "lAbiRynT" beziehen wir uns auf gegenwärtige Tendenzen, den Überfl uss der Welt in fast jedem Lebensbereich, der uns nicht erfüllt, dafür aber viele gefährliche Phänomene mit sich bringt. Im künstlerischen Diskurs des 19. Festivals "lAbiRynt" befi nden sich zahlreiche Zusammenhänge und Bezüge, die durch Künstler aus vielen Ländern interpretiert wurden. Das Syndrom des Übermaßes wurde quasi umringt, verifi ziert und einer eindringlichen formal-visuellen Analyse unterzogen, auch durch das Aufstellen von Gegenthesen oder bewusst gesetzten Unklarheiten.
Anna Panek-Kusz
Unklarheiten
Kurator: Jerzy Olek
autorzy | Autoren: Elisa Asenbaum (1959) & Thomas Stuck (1961), Vince Briff a (1958), Daisuke Iwamoto (1979), Timo Kahlen (1966), Wolf Kahlen (1940), Jacek Kasprzycki (1950) & Tamara Sorbian (1952), Anton S. Kehrer (1968), Thomas Kellner (1966), Boguslaw Michnik (1945), Manfred Mohr (1938), Floris M. Neususs (1937), Jerzy Olek (1943), Anna Panek-Kusz (1975), Eunkyu Ryu (1962), Rudolf Sikora (1946), Berty Skuber (1941), Wojciech Sternak (1979), Zdenek Stuchlik (1950), Danae Syrrou (1977),
Birgit Wudtke (1973), Naoya Yoshikawa (1961)
Erwünschte Unverwirklichung
Lieber nicht zu Ende reden, als zu viel sagen. In der Ästhetik von Gruppenmanifestationen zählen Individualitäten nicht. Der Wert liegt in der Gruppe, allein in ihrer Größe, wie auch immer sie sein mag, ihrer rauen Aufdringlichkeit. In einer demonstrativen Massenkultur ist kein Platz für Eigentümlichkeit, für die Unterbrechung einer Aussage inmitten eines Satzes. Gerade die Unvollständigkeit – also der mehrdeutige, eine Defi nition vermeidende Werdensprozess mitsamt der bewussten Entscheidung, den Stand der Dinge zu streichen – schafft die Möglichkeit, sich auf ein Vorstellungsvermögen zu beziehen, das den Sinn des unvervollständigten Werkes zu begreifen versucht; eines Werkes, das in einem sich stets verändernden Prozess verblieben ist.
Die Tür zum Verständnis einer beabsichtigt sparsamen visuellen Aussage sollte nicht weit geöff net sein, es reicht, wenn sie einen Spaltbreit off ensteht.
Die Bruchstückhaft igkeit der Präsentation schließt weder die Dekodierung dessen aus, was nicht unbedingt adäquat sein mag noch die Suche nach wahrscheinlichen Bedeutungen. Ihre Unvollständigkeit befreit davon, Versuche zu unternehmen, sie als Ganzes verstehen zu wollen und erlaubt es, ungezwungen in die Vieldeutigkeit einzutauchen und auf diese Weise eine versteckte Botschaft vor versteift en Interpretationen zu schützen. Etwas, das sich in niemals endender Fortsetzung befi ndet, ist nicht gerade selten bedeutsamer als das, was abgeschlossen und damit nicht zugänglich für eine improvisierte Verarbeitung ist. Chaotische Konstellationen vermögen es anziehend zu sein, genauso ihre Unberechenbarkeit und die damit verbundene Unmöglichkeit einer logischen Verarbeitung. Die Kombination der (angenommenen) Ordnung mit dem (sie desorganisierenden) Zufall schafft es mittels einer rätselhaft en Ungestümtheit zu faszinieren.
Kunst ist eine Form des in ihr versteckten Wortes, vieler Worte, ganzer Sätze und komplizierter Abhandlungen, die es zu extrahieren und zu ordnen gilt, um sie bei erneuter Lektüre zu zerstören und die Botschaft dabei in eine auf viele Arten wuchernde Unbegreifl ichkeit zu bekleiden.
In einem Bereich, der nicht vollständig defi niert ist, machen topologische Abhängigkeiten von einigen kaum signalisierten Artikulationen auf sich aufmerksam – ihre unklare Zusammensetzung und Verwacklung. Realisationen, die annahmegemäß unvollständig sind, simulieren derartige Sinnesräume, die in ihrer Unstetigkeit den Eindruck erwecken, sie wären paradox. Es off enbart sich dabei die Nichtverfügbarkeit des Gezeigten. Die nicht zu Ende erzählte Vorstellung kann keine Repräsentation sein. Höchstens wird etwas Unklares signalisiert. Nichts wird also auf eindeutige Weise beschrieben. Es wird lediglich auf unsichere Bedeutungen hingewiesen, die dabei absolut unverbindlich suggeriert werden.
Verschweigen ist eine andere Form zu sprechen, als es die Regeln beschreiben. Unvollständigkeit oder eher Nichtabgeschlossenheit löst die Versuchung aus, Bedeutungen zu erweitern. In der Beliebigkeit des Empfi ndens und Verstehens hat die unveräußerliche Autonomie des Bildes ihre Anteilnahme, welches während es die Dinge festhält, diese in bedeutendem Maße verdeckt. Beweglich können lediglich Assoziationen sein: das ungezwungene Spiel von Mutmaßungen und Imaginationen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Schrift stück, wie auch ein Bild nicht eindeutig für die Ewigkeit defi niert sind. Die Kunst fl üchtet immer wieder vor neuen Formeln. Die Modalität des Sichtbaren scheint umso freier zu sein von bedingungslosen Bedarfen an Sicherheit. Zweifel als Erkennungskategorie dient kritisch gestimmten Sinnen. Schließlich können dieselben Dinge und Erscheinungen vielfältig existieren, genauso die leeren Stellen dazwischen. Man sieht etwas so, wie man es sieht, was nicht die Gleichberechtigung einer anderen Sichtweise ausschließt, und damit einhergehend einer Wahrnehmung, besonders wenn der Verstand von vorherigen Erlebnissen befreit wird.
Werke, angehalten im Schaff ensprozess: Bilder die nicht zu Ende erzählt sind, die den Betrachter von einem visuellen Synthetisieren befreien und es dabei erlauben, eine besondere und separate Analyse jedes Details vorzunehmen.
Jerzy Olek
understatement
ka(h)lauer von Wolf Kahlen
treiben treiben unter treiben
den Keil
auf dass sich die Stele hebt
heben heben über heben
sich verheben
ein krummer Rücken kann auch bedrücken
thank you to Jerzy Olek for including my work again in Slublice and to Anna Panek-Kusz, for organizing the shows at Galeria Okno