Profifoto 2007-07

China Photo - work from the First Meetingplace FotoFest Beijing

 

China Photo

Staedtische Galerie Haus Seel, Siegen

 

China kommt, kein Zweifel. Im internationalen Handel und in der Produktion sind zweistellige Zuwachszahlen an der Tagesordnung.  - Sie sind gut die Chinesen und vor allem schnell. Beruecksichtigt man, dass eine freie unbeschwerte Fotografie erst seit Beginn der 70er Jahre in China moeglich ist, so holen die Asiaten wahrscheinlich 5 Jahre Fotografie- und Kunstgeschichte in einem auf. Ob wir im Kunstmarkt demnaechst auch so viele fremd klingende Namen lernen werden muessen? Werden wir in Zukunft nicht nur Englische Werbeslogans verstehen muessen, sondern auch Chinesische? Nicht nur das Internet und moderne UEbersetzungshilfen machen uns die Kommunikation einfacher, sondern auch internationale Treffen, wie der Erste Meetingplace FotoFest Beijing im Herbst 2006.

In einer unvorstellbaren Geschwindigkeit wurde im Oktober 2006, mit nur 3 Monaten Vorlaufzeit,  der erste Meetingplace in Peking veranstaltet, zu dem 286 Chinesische Fotografen aus ganz China anreisten. Die Bandbreite der vorgestellten Arbeiten in Peking reichte von engagierter Amateurfotografie, ueber klassischen Journalismus und Dokumentarfotografie bis zu abstrakten und kuenstlerischen Ansaetzen. Letztere waren eher selten vertreten. War China bis zur Kulturevolution noch von einer humanistischen Fotografie oder einem sozialen Realismus gepraegt, so sind es heute Bilder des Umbruchs, die am meisten die UEbergangszeit in China symbolisieren. Der Bruch zwischen eine eher dokumentierenden linientreuen journalistischen Fotografie und der Autorenfotografie findet seit einigen Jahren statt. Wo genau, werden uns die Historiker zeigen muessen. Zehn Fotografen, die zwischen Tradition, Vergangenheit und Reflektion, vorsichtigem Blick nach vorn stehen, stellt die Siegener Ausstellung in Deutschland vor.

 

Chen Nong: Shanxia

Vor uns steht eine Armee, nicht aus Terrakotta, wie wir sie aus den Ausgrabungen von Shaanxi kennen, sondern Statisten in Kostuemen. Die AEhnlichkeit ist gewollt. Chen Nong hat ueber 16 Monate die Kostueme aus Papier selber angefertigt. Zwischen den Statisten, hier und da, findet man aber auch unverkleidete Menschen, die bereits im Vordergrund auf die Aktualitaet der Szene verweisen. Im Hintergrund streckt und tuermt sich der Dreischluchten-Damm durch die Landschaft. Die Parallele zwischen der gigantischen Manie der ersten Kaiserzeit und der neuzeitlichen XXL-Mentalitaet Chinas verweist auf die gewaltige historische und traditionelle Kraft dieser Nation.  Gleichzeitig baut Chen Nong aber eine weitere Parallele zwischen den handgefertigten Papierkostuemen und dem handgefertigten Foto-Original auf. Das kunstfertige Arbeiten mit Papier ist uns bekannt aus dem Asiatischen, in den Origamis, den Papierblumen und anderen kunstvoll hergestellten Papierarbeiten. Hier verbindet sich das fotografierte Papierkostuem mit dem handkolorierten schwarzweissen Barythpapier. Im Original in der Ausstellung ein echtes Erlebnis.

 

 

 

Feng Bin: Hutongs in der Nacht.

Ein Schatten in der Nacht, ein Aufleuchten hinter einer Strassenecke, Strassenlaternen und Zimmerleuchten erhellen spaerlich die Strassenszenen. Es ist still in den wenigen noch verbliebenen Hutongs Chinas bei Nacht. So still und poetisch sind Feng Bins schwarzweisse Bilder aus den „Altstaedten“ Pekings. Mit einer Grossformatkamera zieht sie um die Haeuser durch die Gassen und faengt traumhafte Szenen in Schwarzweiss, mit unglaublichen Tonwerten in dieser reduzierten Farbe ein. Sie laesst uns allein in den Gassen, die uns behaglich aber nicht freundlich erscheinen. Die Hutongs gehoeren bald der Vergangenheit an und vielleicht ist es der Staub, der graue Staub, den wir auf den Strassen und Haeusern vermuten, der uns in eine andere Zeit zu ziehen vermag.

 

Haibo Yu: Malerwerkstaetten

China produziert alles, alles gross und natuerlich auch im Dutzend billiger. Haibo Yu gewaehrt uns Einblick in die Malerwerkstaetten rund um Peking. Dort gibt es ganze Doerfer, die nicht nur die traditionellen Bilder (wie sie zum Beispiel zum Neujahrsfest verschenkt werden) produzieren, sondern auch Kopien fuer den westlichen Handel. Das was frueher das Postergeschaeft war, sind heute gute Kopien bekannter Meister. Haibo Yu zeigt uns in eindringlicher Dichte, wie diese Malerwerkstaetten aussehen, und vor allem, wie diese Menschen leben. Die Bilder ziehen sich vor unseren Augen zusammen und spiegeln in eben genau dieser Dichte, wie verwoben Arbeiten und Leben in China sein kann.

 

Han Lei: Poesie der Vergangenheit

Han Lei fotografiert Orte und Objekte in China, die uns scheinbar zurueckfuehren in eine Vergangenheit. Die Bilder strahlen eine Melancholie aus, vielleicht auch eine Orientierungslosigkeit und Einsamkeit. China befindet sich im Umbruch. Oft hoeren wir vom modernen, boomenden China. Doch zeigen insbesondere Han Leis Bilder den UEbergang, den Moment eines Rueckbesinnens, die Frage nach verlorenen kulturellen Werten und vielleicht auch der Hoffnungslosigkeit vieler, die an der aktuellen Entwicklung nicht teilhaben koennen.

 

Jiang Zhenqing: Muschelfischer

Das Muschel und Krabbenfischen hat an Chinas Kueste eine ueber 6000 Jahre alte Tradition. Wie so vieles in China, sind es viele Haende die die Arbeit verrichten und nicht Maschinen. Zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter ziehen die Chinesen hinaus aufs Meer. Jiang Zhenqing hat sich fuer Aufnahmen im Winter und in der Regenzeit entschieden und umgibt den Broterwerb der Fischer mit einer aufwuehlenden Dramatik. Schwere dunkle Wolken, oder klirrende Kaelte schweben auf uns zu. Das Leben kann hart sein in China. Aber die Bilder fangen nicht nur eine Lebenssituation ein, sondern reichen in ihrer grafischen Gestaltung und emotionalen Dichte hinaus ueber die reine Dokumentation.

 

Liu Lijie: Eine weitere Episode

Kann eine Fotografie meine Jugend einfangen? Liu Lijie erzaehlt in ihren Bildern auf eine vertraeumte, verspielte, teils surreale Weise von den Traeumen, Hoffnungen eines Maedchens. Jedes Bild steht fuer sich mit einem eigenen Kapitel. Es ist aber weniger die Jugend, die sie darstellt, auch nicht wirklich die Kindheit, sondern der UEbergang vom Kindsein zu einem neuen Bewusstwerden. Sie faengt eben jenen Moment ein, in dem das Kind aufhoert zu spielen und die Welt als Wirklichkeit erkennt. Zwischen suessem Kind und Angst, oder zwischen Naivitaet und Wirklichkeit fangen ihre Bilder den Betrachter ein.

 

Meng Jin: Jeder Raum ist beleuchtet

Das alte China existiert nicht mehr, die kulturelle Revolution ist vorueber und uebrig sind nur noch Truemmer. Ist es das was uns Meng Jin erzaehlt? Leicht taeuschen die Arbeiten eine Wirklichkeit vor, die jedoch in Photoshop reduziert und komponiert wurde. Verlassene Raeume, durchflutet von Licht, lassen kleine Rueckblicke auf die Chinesische Vergangenheit zu. Das Licht und die Reflektionen sind die abstrahierte Hoffnung auf das was da kommt, die offensichtlich abgebildeten Raeume Metaphern fuer das was einmal war.

 

 

Peng Xiangjie: Zirkuswelten

Betrachtet man die die Zirkusbilder von Peng Xiangjie, glaubt man in eine andere Zeit versetzt zu sein. Die Bilder wirken auf uns im Westen wie aus einer Zeit vor beinahe 100 Jahren. Schaut man genauer hin, stellt man jedoch fest, dass es sich um die letzten 10Jahre handeln muss. Peng Xiangjie gehoert zu jenen Fotografen, die ihre Wurzeln zwar noch fest in der humanistischen Fotografie (er war der letzte Schueler von Hou Dengke) haben, jedoch einen sehr ausgepraegten Sinn haben sich voll und ganz einem Thema zu widmen. Er reiste nicht nur mit dem Zirkus und verbrachte Jahre seines Lebens mit den Akteuren, sondern recherchierte ihre Herkunft und Vergangenheit. Nur so ist es zu erklaeren, dass er Bilder schafft, die natuerlich, leicht, aber mit der Qualitaet des Klassikers in sich ruhen.

 

 

Wang Tong: Mao auf der Mauer

Mao. Welche  andere Persoenlichkeit wuerde uns sonst bei China einfallen? Bilder von Mao gab es in jedem Haushalt, an allen Ecken prangten seine Bilder. Wang Tong ist diesem Bild der Vergangenheit gefolgt und hat seine verblassenden Spuren festgehalten in handkolorierten Bildern. Entlang der Chinesischen Mauer, auf Haeuserfassaden und Mauern finden sich die UEberreste der des Konterfeis. In schier unendlicher Vielfalt springt uns das Gesicht entgegen und bestimmt verblassend immer noch seine Umgebung. Boten aus der Vergangenheit sind diese gemalten Zeichen und Gesichter, welche die Chinesen noch lange erinnern werden und sie verfolgen mit der Frage nach einer „guten alten Zeit“. Der romantische Blick auf die Szenerien, nicht in digitaler Haerte und moderner Farbigkeit, sondern in alter traditioneller Chinesischer Kolorierung, schafft die Verbindung zu einer ungewissen aber heiteren Zukunft.

 

Zeng Han: Seelendiebe & Kostuemspiele.

Nicht nur in Europa treffen sich Menschen zu Rollenspielen. Auch in China gibt es sowohl die traditionellen Rollenspiele in alten Kostuemen, als auch moderne Varianten in Kostuemen der Manga oder anderen Idolen einer Comickultur. Zeng Han hat beide fotografiert. Jedoch sind die moderneren Rollenspieler, platziert auf dem Dach eines Hochhauses einer jener gesichtslosen Gross- und Millionstaedte Chinas, eher ein Sinnbild fuer die Sinnsuche einer jungen Generation. Die Suche nach einer herausragenden, sichtbaren und bekannten Individualitaet in einer Massengesellschaft, ist zeitgleicher Ausdruck fuer Flucht aus dem Alltag und Spiegel einer modernen mediengesteuerten Gesellschaft.

 

 

China Photo

Staedtische Galerie Haus Seel

09.08.2007 – 26.08.2007

 

Eroeffnung 09. August 19 Uhr

 

Arbeiten von: Chen Nong, Feng Bin, Haibo Yu, Han Lei, Jiang Zhenqing, Liu Lijie, Meng Jin, Peng Xiangjie, Wang Tong, Zeng Han

 

Eine Ausstellung der Gesellschaft Deutsch Chinesischer Freundschaft e.V. in Zusammenarbeit mit Thomas Kellner

 

 

Staedtische Galerie Haus Seel,

Kornmarkt 20

57072 Siegen

OEffnungszeiten: Di-So 14-18 Uhr, Sa und So auch 10-13 Uhr

Ansprechpartnerin von KulturSiegen: Helga Dellori, 0271/4043057, h_dellori@siegen.de

Kellner, T., 2007. China Photo. Feng Bin Hutongs in der Nacht. Profifoto, 2007 (7-8), pp. 62-67