Der Beruf als Künstler I 3/4: Am Anfang des Weges

Der Beginn der Karriere

Der Beginn der Karriere

Womit beginnt eigentlich eine Karriere? Mit einer ersten eigenen Ausstellung oder einer ersten Veröffentlichung? Eine Profession beginnt nicht mit einem bestimmten Ereignis, es ist ein langwieriger und schleichender Prozess. Das Wichtigste ist, den Entschluss zu fassen, diesen Prozess zu beginnen. Je nach persönlicher Voraussetzung muss man zunächst eine selbstbewusste und selbstständige Haltung entwickeln. Mein erster wegweisender Entschluss war die letzte Prüfung meines Studiums nicht zu absolvieren und den Fokus auf eine Karriere als freischaffenden Künstler zu legen. Das bedeutete zunächst eine Geldeinnahmequelle zu finden, die sich mit der eigentlichen Schaffung der Kunst vereinbaren lässt. Ich begann einen Job als Lagerist und entschied mich schnell dazu, die Nachtschicht zu übernehmen, sodass ich den Tag nutzen konnte um Telefonakquise zu betreiben und Presseinfos zu verschicken. Ich plante nun 9 Monate des Jahres auf diese Art und Weise zu verbringen und mich in den übrig gebliebenen 3 Monaten voll und ganz der Kunstschaffung zu widmen. Dieses Konzept wollte ich maximal 5 Jahre beibehalten, hätte ich in dieser Zeit keinen Fuß in der Kunstszene fassen können, hätte ich wahrscheinlich eine Umschulung begonnen.

Networking in Arles

Die Drehscheibe für den Anfang meiner Karriere war das Festival Rencontres d'Arles in Arles, Frankreich. Das Rencontres d'Arles ist ein 1970 gegründetes Sommer-Fotofestival, welches sich als Sprungbrett für fotografische und zeitgenössische kreative Talente weltweit einen Namen gemacht hat. Arles war der Hotspot um sich ein Netzwerk aufzubauen. Und auch ich habe mich mit vielen Künstlern dort austauschen und einige Pressekontakte knüpfen können. Zuvor hatte ich Ursula Moll kennengelernt, als ich 1996 den Kodak-Nachwuchs-Förderpreis gewann. Im gleichen Jahr rief sie mich an und lud mich zum großen Dinner, gemeinsam mit dem damaligen Chef von Kodak, am Place du Forum in Arles ein. Dort lernte ich auch Burkhard Arnhold von der in focus Galerie in Köln kennen. Er fuhr ebenfalls jedes Jahr nach Arles um sich ein Netzwerk aufzubauen und Kontakte zu pflegen. Ihm gefielen meine Elflochkamerabilder von Bäumen und so fragte ich ihn 1998 nach einer Kooperation. Daraufhin entwickelten wir gemeinsam eine Ausstellungskonzeption über Abbildungen von Bäumen. So kam meine erste Gruppenausstellung bei Burkhard Arnhold zustande. Das war ein großer Glücksgriff für mich.  Der wichtigste Kontakt den ich dort knüpfen konnte, war allerdings die deutsche Fotografin und Hasselblad-Preisträgerin Manuela Höfer. Sie betrieb eine Fotogalerie in London und wurde ebenfalls aufmerksam auf meine Elflochkamerabilder. Damit stand meine erste Galeristin in London.

Triumphe in Texas

In Arles erfuhr ich, dass es eine noch bessere Veranstaltung gab um sich ein internationales Netzwerk aufzubauen, nämlich der sogenannte Meeting Place in Houston, Texas. Diese Veranstaltung war allein dazu da, Produzenten und Verwerter der Fotografie zusammen zu bringen. Fotografen bekamen dort die Gelegenheit ihr Portfolio vorzustellen um gegebenenfalls unter Vertrag bei einer Galerie genommen zu werden.
Für solch eine Session zur Portfoliosichtung meldete ich mich an und buchte im darauffolgenden Sommer einen Flug nach Houston. Ich hatte bereits zwei Drittel der Flugkosten abbezahlt als der Anschlag auf die Twin Towers am 11. September passierte. Dadurch blieb mir die Möglichkeit in die USA zu reisen zunächst verwehrt. Im Frühjahr 2002 war es dann aber doch soweit, ich räumte all meine Sparbücher leer, um mein letztes Geld mit in die Vereinigten Staaten zu nehmen. Ich ging also All In, volles Risiko, um diese Gelegenheit wahrzunehmen. Als ich in Houston ankam, merkte ich sofort, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nach jedem Gespräch mit den Veranstaltern hatte ich das Gefühl eine Ausstellung oder ein Artikel sei im Bereich des Machbaren. Dieses Gefühl wurde im Laufe der Session noch übertroffen, als eine Galeristin aus der Jury zu mir sagte: „Hey, you the guy with the filmstrips, sit down! I wanna see it!“ Obwohl mein Portfolio lediglich aus 10 Pappen und einem Fotobuch bestand und somit weit entfernt von den eigentlichen Ansprüchen der Jury war, sagte die Galeristin zu mir: „You are done! You do not need anything else; I will manage you.” Eigentlich sollte jeder Fotograf ein Zettelchen zu dem Jurymitglied setzen, an dem derjenige besonderes Interesse hatte. Jeder wollte zu Anne Tucker, einer Kuratorin vom Museum in Houston und zu John Morgenstern, einem wichtigen Sammler. Überall wo ich ein Zettelchen gesetzt hatte, wurde ich auch angenommen. Am 3. Tag kam die Galeristin Martha Schneider zu mir und sagte: „Das ganze Procedere musst du nicht mehr mitmachen, du hast es geschafft, komm lieber mit uns zum Frühstücken!“ Das war eine große Ehre für mich, da es uns Fotografen normalerweise nicht erlaubt war gemeinsam mit der Jury zu speisen. Dort lernte ich dann unter anderem auch Melissa Harris von Aperture kennen. Ein anderer Galerist wollte mich ebenfalls unter Vertrag nehmen. Dieser zeigte auf einige meiner Fragen aber eine cholerische Reaktion, weshalb ich mich dazu entschieden hatte, mit ihm nicht weiter zu arbeiten. Aus finanzieller und geschäftlicher Perspektive war das leider ein großer Fehler, denn dieser Galerist ist heute in New York extrem erfolgreich und macht Umsätze in Millionenhöhe. Dennoch war meine Zeit in Houston ein voller Erfolg und wohl das entscheidende Sprungbrett für den Start meiner Karriere.