Thomas Kellner - Visuell Analytische Synthese, Teilbibliothek Unteres Schloss, Universität Siegen, 20. November – 18. Dezember 2019

Thomas Kellner - Visual Analytical Synthesis
20. November – 18. Dezember 2019
Teilbibliothek Unteres Schloss, Universität Siegen

 

Universität Siegen
Teilbibliothek Unteres Schloss
Unteres Schloss 1
57072 Siegen
Germany

"Eine Art gelungener Zufall lässt dann auch in den verschiedenen Fassungen des einen großen Themas Spielraum." Kneppe, J. Kontakt Kellner, Thomas 2014, Seltmann + Söhne Berlin / Siegen, Seite 38

 

Visuell Analytische Synthese – Fotografien von Thomas Kellner

gezeigt in der Passage der Teilbibliothek Unteres Schloß (US)
vom 20. November bis 18. Dezember 2019

 

Fotos vom Eiffelturm gibt es millionenfach. Die Aufnahme des Fotografen Thomas Kellner jedoch ist einzigartig: Aus rund 36 glänzenden Einzelteilen ist das Pariser Wahrzeichen zusammengesetzt. Durch die Montage der Kontaktabzüge aus der analogen Fotografie scheint es, als würde das abgebildete Bauwerk – so beschreibt es die Kunsthistorikerin Dr. Yi-hui Huang – „hinter dem Raster tanzen, uns zuwinken oder auseinanderbrechen“. Kellners Methode der Kompositfotografie - die ‚Visuell Analytische Synthese‘ - entwickelte er ab 1997. Sie hat ihn inzwischen weit über die Grenzen seiner Wahlheimat Siegen hinaus bekannt gemacht. Seine Architekturaufnahmen vom Big Ben, vom Reichstag oder von Schloss Neuschwanstein wollen keine Realität abbilden, sondern zum Nachdenken über unsere gewöhnliche Betrachtungsweise der Bauwerke selbst und ihrer Fotografien anregen.

In der Ausstellung „Visuell Analytische Synthese“, die vom 20. November bis zum 18. Dezember 2019 in der Passage der Teilbibliothek Unteres Schloß (US) zu sehen sein wird, zeigt Kellner nicht nur seine ‚tanzenden‘ Fotokompositionen u.a. von Bibliotheken, Mexiko, Freudenberg, dem Reichstag, Schloss Neuschwanstein, Big Ben und dem Eiffelturm, sondern auch Werkmonografien, Buchentwürfe und Skizzenbücher.

Zur Eröffnung am Mittwoch, den 20. November um 18.00 Uhr wird Chiara Bohn in einer Einführung über das Werk von Thomas Kellner sprechen.

Begleitend wird das Buch „Thomas Kellner: Visuell Analytische Synthese“, das im Verlag seltmann+söhne erscheint ISBN 978-3-946688-77-8, der Öffentlichkeit präsentiert. Die umfassende Bibliografie zum Werk des Siegener Fotografen wird durch die Werkanalyse „Subjektiv und Objektiv: Das Zusammenspiel von Geist und Außenwelt“ der Kunsthistorikerin Dr. Yi-hui Huang ergänzt und mit zahlreichen Abbildungen von Kellners Werken begleitet.

 

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Dr. phil. Jessica Stegemann
Universitätsbibliothek Hölderlinstraße 3
Tel.: 0271/740 4285 / eMail: stegemann@ub.uni-siegen.de

Einen besonderen Dank an Dr. Jochen Johannsen für diese wundervolle Ausstellung in Siegen und an Dr. Jessica Steegemann für die professionelle Unterstützung bei der Vorbereitung und der Durchführung der Ausstellung.

20.11.2019, Chiara Manon Bohn

Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Teilbibliothek Unteres Schloß (US)  

Auch von mir nochmal ein Herzliches Willkommen zur Ausstellung, zu der ich nun ein paar Worte sagen darf. Dabei möchte ich Ihnen natürlich eine Perspektive auf Thomas Kellners Fotografien eröffnen, neben dieser obligatorischen Ausrichtung anlässlich des Themas der Ausstellung aber auch einen kleinen Einblick in die Geschichte des Künstlers geben. Geschichte soll an dieser Stelle nicht nur auf die vergangenen Jahre seiner künstlerischen Laufbahn anspielen, sondern meint tatsächlich das geschriebene Wort, das Episoden seiner Karriere und seiner Kollektionen in Print- und Onlinemedien festhält.

Wenn wir uns näher mit der Ausstellung hier in der Teilbibliothek Unteres Schloß beschäftigen, gilt zunächst einmal die Frage zu klären, was uns der Künstler hier eigentlich präsentiert. Denn das sind eben nicht hauptsächlich seine künstlerischen Arbeiten mit ihrem unverkennbaren Charakter, sondern Bücher. Skizzenbücher, Buchentwürfe, Monografien und weitere Publikationen, seien sie auf Deutsch oder einer Fremdsprache verfasst, seien sie über Künstler oder Kunst informierend. Um es kurz zu machen und in den Worten des Künstlers zu sagen, es handelt sich um eine Bibliografie. Und damit stehen wir direkt vor der nächsten Frage. Laut des Referenzmediums Duden bezeichnet eine Bibliografie ein „Verzeichnis, in dem Bücher, Schriften [und] Veröffentlichungen einer bestimmten Kategorie angezeigt und beschrieben werden.“

Nach dem monatelangen Sammeln sämtlicher Publikationen, die die Karriere Thomas Kellners begleitet und zu seinem Erfolg und seiner Reichweite beigetragen haben, werden uns nun hier einzelne Bestandteile davon vorgestellt. Ein Netz der vorhin genannten Publikationsformen sowie selbst verfasstes in Wort und Bild, Monografien. Alles Geschichten über oder von dem Künstler.

Nun trägt die Ausstellung den Titel „Visuell analytische Synthese“, eine Methodik die für den Künstler Thomas Kellner ein Alleinstellungmerkmal bildet und wohl in den meisten Publikationen über ihn Erwähnung findet, jedoch erst von Dr. Irina Chmyreva als solche betitelt wurde. Sie ist Grundstruktur und Basis Kellners bekanntester Werke von scheinbar tanzender Architektur und somit das wichtigste Element seiner Werke und gleichzeitig seiner Karriere.

Also werfen wir einen Blick auf diese „Visuell analytische Synthese“, deren Name wohl bei den ersten einige Fragen hervorruft: Beginnen wir mit dem, was viele von Ihnen vermutlich schon kennen, von dem Sie bereits gehört, was Sie auf jeden Fall schon einmal gesehen haben. Ein Bild des Künstlers Thomas Kellner. Bestehend aus mehreren Fotografien, die er zunächst auf Film in geplanter Reihenfolge aufgenommen und danach als Kontaktbögen untereinander montiert hat, präsentiert er dem Betrachter kein zerstückeltes Bild, sondern schafft trotz kleiner Trennlinien durch die Kontaktbögen und verdrehter Ansichten innerhalb der Fotografien ein zusammenhängendes Bild. Dieses Bild vermittelt dem Betrachter eine Gleichzeitigkeit von Dekonstruktion und Konstruktion, vlt. sogar eher eine Rekonstruktion, die dem Original, der Wirklichkeit nachempfunden ist, uns aber eine völlig andere Sichtweise eröffnet. Es entsteht eine Komposition aus montierten Einzelbildern mit dekonstruierter Architektur, die zu einem konstruierten Ganzen, einer Rekonstruktion des Grundobjekts konvertiert wird und dem Betrachter dadurch ein Gefühl von Bewegung vermittelt. Yi Hui Huang, Autorin der neusten Publikation Thomas Kellners, nennt es ein „Überführen einer reinen Abbildung in eine konzeptionelle Neuordnung der Elemente“, die zur Erschaffung einer neuen Sichtweise durch die Auseinandersetzung mit Details und dem Betrachten der gespaltenen Formen des ursprünglichen Objekts, der Architektur, führt. Dieser gesamte Prozess von der Planung erster fotografischer Aufnahmen über die Montage des Bildmaterials mittels Kontaktbögen bis zum Endprodukt und dem Betrachten desgleichen trägt die Bezeichnung „Visuell analytische Synthese“. Die Namensgeberin überträgt dabei Teile der Erkenntnistheorie Kants auf die Kunst. Das soll heißen, dass Thomas Kellner als denkendes Subjekt durch seinen Denkprozess einzelne Elemente deduziert, analysiert und zu einer neuen Struktur rekonstruiert, die Chmyreva als „Synthese“ betitelt, eine höhere Einheit durch die Verbindung von Konzepten und Elementen, vergleichbar mit dem absoluten Wissen Kants.

Ist Thomas Kellner also vielmehr Philosoph als Künstler? Dafür würden zumindest seine Installation „Wenn es denn nur Worte wären“ sprechen, in der uns der Künstler 20 berühmte Denker der Neuzeit vorstellt. Aber nein, die „Visuell analytische Synthese“ verleiht Thomas Kellner eine unverkennbare Einzigartigkeit, indem er ein Konzept entwickelt hat, dass konstruktivistisch und kubistisch ausgerichtet ist, gleichzeitig aber auch Parallelen zum philosophischen oder transzendentalen Idealismus aufweist.Thomas Kellner erschafft eine visuelle, eine  sichtbare Struktur, für die er zuvor analytisch vorgeht, eine Gesamtheit gedanklich in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt und in einer neuen Konstruktion wieder zusammenführt und so eine Verbindung der verschiedenen Elemente, eine Synthese, erzielt.

Die „Visuell analytische Synthese“ ist nur eins von vielen Themen, das in der Literatur über Thomas Kellner zu finden ist. Aber es ist gleichwohl das Wichtigste, das zum Verständnis seiner Kunstwerke und dem zugrundliegenden Schaffensprozess beiträgt. Sie steht repräsentativ für die Karriere des Künstlers, ebenso wie die hier gezeigten Monografien, Artikel, Skizzen und anderen Einblicke in die Arbeit, die Geschichte von Thomas Kellner.